Geschichte Woche 7
Nach Matthäus 3,13-17
Auf der Suche nach Johannes dem Täufer erfuhr ich, dass viele dachten, er wäre der Messias. Aber jedes Mal stritt Johannes es ab. Im Gegensatz zu den anderen wusste ich, dass er es nicht war. Trotzdem schien er eine besondere Anziehungskraft zu haben und seine Worte hatten eine große Wirkung auf die Menschen. Und wie ich hörte, waren es viele, die sich im Jordan untertauchen ließen. Taufen nannten sie das. Komische Sache, fand ich. Das musste ich unbedingt mit eigenen Augen gesehen haben.
Es war schon ein ganz schön langes Stück Weg, dass ich zurück legen musste, um in die Wüste rund um den Jordan zu gelangen. Mal nahmen mich liebe Leute mit, mal schlich ich mich heimlich in ihre Taschen und hin und wieder ging ich auch auf meinen eigenen kurzen Beinen. Aber das war mir zu mühsam. Glücklicherweise befanden sich so viele auf dem Weg zu Johannes, dass es mir ein leichtes war, ein Menschentaxi zu finden, dass mich trug. Das wäre doch gelacht, wenn ich nicht eine Lösung finden würde.
Oh, schaut doch nur. Da vorne ist eine große Menschenmenge. Da ist mit Sicherheit Johannes und spricht zu den Leuten. Ja, jetzt kann ich ihn hören. Mensch, hat er eine laute Stimme. Aber gut, sonst würden ihn die Menschen in der letzten Reihe auch nicht mehr hören können und würden unverrichteter Dinge wieder gehen. Ich kam diesem erstaunlichen Mann immer näher. Nun ja, bis jetzt trennten mich noch eine Menge Beine und Füße von ihm, durch die ich mich hindurch wurschteln musste. Ich sprang von meinem derzeitigen Transportmittel ab, holte tief Luft und ging dann los.
Hindurch zwischen sich auf und ab bewegenden Füßen, Beinen, die nicht still stehen konnten und wogenden Kleidern. Schließlich hatte ich es fast geschafft. Noch ein letzter Sprung und ich stand auf der Wiese vor Johannes. Wow, war dieser Mann groß. Und er trug etwas ganz schön seltsames. Es sah kuschelig aus. Oder kratzte es vielleicht doch?
„Schau nur, was er trägt“, tuschelte einer der Männer hinter mir. „Wer nimmt heute schon Kamelhaare für seinen Mantel?“
Aha, daraus bestand das also. Hm, ich denke mal, es hielt gut warm. Vielleicht trug er es deshalb. Ich hatte gehört, dass er in der Wüste allein lebte und da konnte es nachts ganz schön kalt werden. Also brauchte er etwas, was ihn warm hielt, auch wenn er vermutlich eine dünne Decke hatte. Seinen Mantel hielt ein Gürtel aus Leder zusammen. Ob mir das auch stehen würde?
Egal, jetzt wollte ich doch gern zuhören, was er da sagte. Aber was sahen meine Augen denn da vorn durch die Menschenmenge kommen? Das konnte doch gar nicht sein. Was machte er denn hier? Da kam doch tatsächlich Jesus auf Johannes zu. Wollte er auch wissen, was Johannes so zu sagen hatte? Was anderes konnte ich mir gar nicht vorstellen. Jetzt sah auch Johannes ihn und stoppte in seiner Rede. Seine Augen wurden groß, als hätte er erkannt, wer da vor ihm stand. Und Jesus? Er ging direkt auf Johannes zu und sagte dann:
„Ich möchte, dass du mich taufst.“
Die ohnehin schon großen Augen von Johannes wurden noch größer. Aha, er hatte ihn erkannt. Er wusste ganz genau, dass dort nicht irgendjemand vor ihm stand, sondern der Mann, auf den er immer wieder hingewiesen hatte. Bei jeder Rede, die er hielt, ging es um ihn. Jesus, den Messias, den von so vielen Propheten vorhergesagten Retter. Und nun stand dieser Mann vor ihm und wollte getauft werden? Er, der Sohn Gottes, der gar keine Taufe brauchte, weil er nichts unreines an ich hatte? Nein, das konnte doch gar nicht sein.
Johannes schüttelte langsam den Kopf, schluckte und sagte dann:
„DU möchest von mir getauft werden? Ich bin es eigentlich, der die Taufe bräuchte, aber doch nicht du.“
Jesus lächelte verstehend und gab ruhig zur Antwort:
„Mach es trotzdem. Es soll so sein. Ich möchte mich auf die gleiche Stelle stellen wie mit allen anderen, denn das ist es, vorauf es heute ankommt. Wir haben einen Auftrag zu erfüllen.“
Immer noch nicht ganz überzeugt, sah Johannes Jesus an und nickte schließlich zögerlich. Gemeinsam wandten sie sich dem Jordan zu und gingen langsam in das Wasser hinein. Huh, war das nicht kalt? Mir lief allein bei dem Gedanken, da jetzt hinein gehen zu müssen, ein kalter Schauer über den Rücken. Aber gut, ich musste da ja jetzt auch nicht hin. Meine Aufmerksamkeit richtete sich wieder ganz auf Jesus und Johannes, die nun bis zum Bauch im Wasser standen. Es dauerte auch gar nicht lange, da war Jesus komplett im Wasser verschwunden und wurde kurz darauf wieder von Johannes herausgezogen. Da stand er nun, wischte sich das Wasser aus dem Gesicht. Plitschnass tropfte er vor sich hin, als er langsam wieder Richtung Ufer ging. Ich konnte sehen, wie Jesus dabei die Augen schloss. Er schien zu beten.
Und dann, als er gerade aus dem Wasser gekommen war, geschah etwas besonderes. So etwas hatte ich noch nie erlebt oder gesehen. Kaum war Jesus wieder auf festem Boden, öffnete sich der Himmel. Ja, wirklich. Der sonst von kleinen Wölkchen bedeckte Himmel schob sich auseinander und ein helles, strahlendes Licht wurde sichtbar. Es war ähnlich wie damals, als die Engel den Hirten erschienen waren. Nur noch herrlicher und klarer. Aber das war noch nicht alles. Mitten in dem Licht erschien kein Engel, so wie ich es jetzt erwartet hätte. Nein, nein, etwas ganz anderes war dort auszumachen. Eine Taube. Zumindest sah es so aus wie eine.
Sie kam direkt aus dem Himmel auf Jesus zugeschwebt und setzte sich auf ihn. Wobei, es sah eher so aus, als würde sie ihn mit ihren Glanz überziehen. Wenn du jetzt dachtest, dass war es schon, dann sage ich dir, weit gefehlt. Denn von dort, wo die Taube soeben erschienen war, ertönte plötzlich eine dröhnende Stimme, sodass einem ganz Angst und bange wurde. Ich konnte sehen, dass es nicht nur mir so ging. Auch die Menschen um mich herum sahen erschrocken hinauf, nachdem sie schon die sonderbare Entwicklung bei dem so eben getauften Mann beobachtet hatten. Die Stimme sagte:
„Du ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“
Wow, stopp mal. Wenn diese Stimme sagte „mein Sohn“, dann konnte das nur eins bedeuten. Da hatte gerade nicht irgend ein Engel oder ein anderes Himmelswesen gesprochen. Nein, das war Gott selbst gewesen, denn ich da gerade hören konnte. Ich schluckte mehrmals kräftig, denn eine nie gekannte Ehrfurcht beschlich mich plötzlich. Gott persönlich war hier, war anwesend und hatte vor all diesen Menschen, die hier standen bezeugt, dass Jesus sein Sohn war. Nicht der Sohn des Zimmermannes Josef. Nein, Gott war Jesu Vater und er ließ es sich nicht nehmen, dies bekannt zu machen. Jetzt lag es an den Menschen selbst, ob sie dem glaubten, was sie soeben gesehen und gehört hatten.
Wenn ich so in die Gesichter der Menschenmenge sah, dann sah ich eine Mischung aus Ungläubigkeit, Erstaunen, Ehrfurcht, Respekt und sogar Furcht. Mit Sicherheit waren viele unter ihnen, die noch nicht verstanden hatten, dass sie gerade den vor vielen Jahren verheißenen Messias gesehen und Gottes Stimme vernommen hatten.
Oh man, ich konnte es immer noch nicht fassen. Mir war vor Aufregung ganz schwindelig und am liebsten wollte ich mich einfach nur hinsetzen. Das war doch alles ein wenig viel für meine Nerven. Aber, wo wollte Jesus denn hin? Er ging einfach weg, ohne ein Wort zu sagen. Sofort sprang ich wieder auf und versuchte, mich an seinem Gewand festzuhalten. Diesem Mann würde ich nicht mehr von der Seite weichen, so viel war klar.