Geschichte Woche 17
Nach Markus 5,21-24 + 35-43
Nach der doch sehr schaukeligen Bootsfahrt begegneten wir einem besessenen Mann, den Jesus heilte. Man war das mal wieder gruselig und beunruhigend, aber am Ende gewann wieder einmal Jesus. Kannst du dich noch an die Geschichte erinnern, als Jesus in Kapernaum einen Besessenen heilte? Ich erinner mich, als wäre es gestern gewesen. Es machte mir damals ganz schön Angst und auch jetzt lief mir ein Schauer über den Rücken, wenn ich nur daran dachte.
Nach diesem Ereignis machten wir uns wieder auf den Weg zurück. Wieder über das Wasser, dass uns beim letzten Mal fast verschlungen hätte. Ich schüttelte mich und versteckte mich fast die ganze Zeit unter dem Gewand Jesu. Meine Augen blieben fest zusammen gedrückt, bis wir das andere Ufer erreichten. Erleichtert sank ich am Ufer nieder und berührte mit meinem Kopf den Sand. Endlich wieder festen Boden unter meinen Füßen. Als ich meinen Kopf hob, sah ich eine riesige Menschenmenge auf Jesus zu kommen. Sie alle erwarteten scheinbar Wunder von Jesus. Ich seufzte und warf meinen Kopf in den Nacken. Musste es denn schon wieder sein? Konnte es nicht einen Tag geben, an dem einfach nur Ruhe herrschte? Nein, das war uns nicht vergönnt. Na gut. Ich atmete tief ein und mit dem Ausatmen erhob ich mich und kletterte zügig auf die Schulter von Jakobus. Verpassen wollte ich nämlich auch nichts.
Kaum saß ich oben darauf, sah ich einen Mann mit wehenden Kleidern auf uns zukommen. Sein Gesicht war von Trauer überzogen und die gekräuselte Stirn zeigte deutlich, dass er große Sorgen hatte. Hm, was mochte diesen Mann nur quälen? Lange warten musste ich nicht mehr, denn er erreichte uns schnell. An seiner Kleidung war auch zu erkennen, dass er ein Synagogenvorsteher war. Heute hieße der Mann wahrscheinlich Gemeindeleiter, also jemand, der mit für den Gottesdienst verantwortlich ist. Nun kam also dieser Synagogenvorsteher zu uns und warf sich vor Jesus auf die Knie. Das erinnerte mich an den Aussätzigen, der das gleiche gemacht hatte. Wieder ein Mann, der wusste, dass hier nicht irgendjemand vor ihm stand, sondern der Sohn Gottes. Ich hörte ein leises Schluchzen und sah auf den Mann zu Jesus Füßen hinunter. Oh man, ihn musste ja etwas schweres bedrücken.
„Bitte, ich bin Jairus, der Synagogenvorsteher. Komm und hilf meinem Töchterchen. Sie liegt in ihren letzten Zügen und wird sterben. Du brauchst sie nur einmal berühren, dann wird sie wieder gesund und wird leben. Das glaube ich fest“, begann der Mann flehend zu sagen. Seine Worte berührten mich sehr. Sein armes Kind. Kein Wunder, das der Mann so traurig war. Ich schaute den Mann mitleidig an und hoffte, dass Jesus ihm helfen würde. Wenn er dem Knecht des Hauptmannes half, dann doch wohl auch diesem armen Mädchen. Und genau so war es. Jesus half dem Mann auf und ging mit ihm mit.
Uns folgte die ganze Menschenmasse, die sich innerhalb kürzester Zeit zusammen gefunden hatte. Mann, war das schon wieder ein Gedränge. Ein Ellbogen traf mich am Bein. Der nächste blaue Fleck. Ich konnte sie schon gar nicht mehr zählen, so viele hatte ich in der letzten Zeit gesammelt. Während wir noch auf dem Weg waren, kamen uns andere Menschen entgegen, die den Jairus kannten, denn sein eben noch hoffnungsvoller Blick veränderte sich schlagartig. Er senkte seinen Kopf und schloss vor innerem Schmerz seine Augen. In dem Moment begann der erste auch schon mitzuteilen, was passiert war.
„Jairus, es tut uns so leid. Deine Tochter ist soeben gestorben.“
Oh nein, das durfte doch nicht wahr sein. Der arme Jairus. Ich merkte, wie eine Träne sich in meinen Augen sammelte und im Begriff war, meine Wange hinunter zu laufen. Stolz wischte ich sie beiseite. Ein andere Mann legte Jairus die Hand auf die Schulter und sagte:
„Sie lebt nicht mehr. Lass Jesus gehen, du musst ihn nicht mehr bemühen.“
Doch kaum hatte er das gesagt, wandte sich Jesus zu Jairus und schaute ihn fest an. Ohne ein Wort des Tadels sagte er:
„Fürchte dich nicht, Jairus, glaube nur.“
Äh, was meinte Jesus da gerade? Sollte das heißen, er würde trotzdem weiter zu Jairus Haus gehen? Aber das war doch gar nicht mehr notwendig. Sie lebte doch nicht mehr. Was hatte Jesus denn vor? Gespannt verfolgte ich, wie Jesus und Jairus sich wieder in Bewegung setzten. Mit erhobenem Haupt, als hätte er den größtenSieg errungen, ging Jairus weiter. Er steuerte auf ein kleines Haus an der Ecke einer Straße zu, vor dem sich eine Menschentraube gebildet hatte. Sie weinten und klagten laut, so dass ihr Gejammer weithin zu hören war. Mit geballten Fäusten schlugen sie sich als Ausdruck ihres Kummers an die Brust und weinten noch lauter. Jesus hielt an und wandte sich dann an seine Jünger:
„Ihr bleibt hier. Nur Petrus, Jakobus und Johannes kommen mit mir. Ihr anderen haltet die Menschen im Zaum.“
Oh, das war aber neu. Nicht alle seine Jünger durften mit? Na, da konnten die drei Auserwählten wohl etwas ganz besonderes erleben. Bloß gut hatte ich die richtige Schulter gewählt. Die drei Jünger gingen nun hinter Jairus und Jesus einher und schritten weiter auf das Haus zu. Vor dem lärmenden Getümmel an der Haustür blibe Jesus wieder stehen und rief gegen den Lärm:
„ Was lärmt und weint ihr so sehr?“
Also Jesus, wirklich. Das weiß ja sogar ich, dachte ich bei mir und schüttelte verwundert den Kopf. Diese Menschen weinten, weil das Mädchen gestorben war. Da war es hierzulande üblich, so laut zu klagen.
Aber Jesus fuhr fort:
„Was lärmt ihr so? Das Mädchen ist nicht gestorben, es schläft nur.“
Hä? Also jetzt verstand ich gar nichts mehr. Die Leute würden doch wohl Tod sein und schlafen voneinander trennen können. Wie konnte es da sein, dass Jesus die Worte der anderen anzweifelte? Das schienen diese Leute auch zu denken, denn plötzlich fingen sie an, laut zu lachen und zeigten auf ihn. Verspotteten sie Jesus gerade wikrlich? Tatsächlich, sie lachten über ihn. Hey, sagt mal, wie könnt ihr es wagen, den Herrn Jesus so zu verlachen? Er hatte recht, auch wenn ich noch nicht genau verstand, wie das sein sollte. Wenn ihr nicht sofort aufhört mit eurem Gelächter, dann könnt ihr was erleben. Meinen Kinnhaken wollt ihr bestimmt nicht spüren. Mit puderrotem Gesicht starrte ich die Menschen zu Boden, die es wagten, Jesus auszulachen.
„Geht, ihr werdet hier nicht mehr gebraucht“,forderte Jesus die Leute seelenruhig auf, „das Mädchen schläft nur. Es braucht also kein Totengejammer.“
Ein wenig entrüstet drehten sich die Menschen einander zu, tuschelten miteinander und taten dann, was Jesus ihnen gesagt hatte. Dann nahm Jesus Jairus und seine Frau liebevoll am Arm und führte sie zum Kind hinein. Ich erschrak. Da lag das arme Mädchen. Sie musste schon an die zwölf Jahre alt sein. Ganz bleich und vom Fieber noch nassgeschwitzt auf der Stirn war sie kaum in dem Bett zu erkennen. Ihre Augen hatte es geschlossen und kein einziger Muskel bewegte sich. Auch die Bettdecke bewegte sich nicht auf und ab, wie es bei einem atmenden Menschen sein würde. Dieses Mädchen wirkte nicht tot, sondern wirklich, als würde es schlafen. Aber der fehlende Atem zeigte, dass sie nicht mehr lebte. Jesus sah auf das Mädchen hinab und ging zu ihrem Bett. Er nahm ihre kleine gebrechliche Hand, hielt sie fest und sagte leise:
„ Talitha Kum.“
Äh, ja, stimmt, ihr wisst ja gar nicht, was das heißt, oder? Dann verrate ich es dir einmal. Jesus sagte zu dem Mädchen:
„Mädchen, ich sage dir, steh auf.“
Ja, was soll ich sagen, das Mädchen tat, was Jesus gesagt hatte. Es schlug die Augen auf, setzte sich aufrecht ins Bett und schlug die Bettdecke zurück. Mit Schwung nahm sie die Beine aus dem Bett und erhob sich. Die Gesichter der Eltern waren ein Abbild ihrer Gefühlslage. Zuerst waren Traurigkeit und Tränen zu sehen gewesen. Dann wich es einem Erstaunen über der Schlichtheit von Jesu Geste und dann weiteten sich die Augen immer größer vor Überraschung. Überglücklich schlossen sie ihr Kind in die Arme.
Ich neigte meine Kopf und blinzelte gegen die Tränen der Rührung an. Ach, wie schön war es doch. Jesus hatte wieder geholfen und hatte dieses Mal sogar bewiesen, dass er stärker war als der Tod. Er wandte sich noch einmal an die Eltern und ermahnte sie ernst:
„Schweigt über das, was ihr gerade erlebt habt. Macht es nicht bekannt. Gebt dem Mädchen zuerst etwas zu essen.“
Jesus war einfach der Beste. Wie er sich doch um dieses Mädchen kümmerte und sorgte. Es blieb doch immer spannend mit Jesus.