Geschichte Woche 19
Nach Matthäus 14,22-36
Mannoman, das war vielleicht eine Aufregung. Mal wieder. Und ich sage dir, ich war danach so pappensatt, dass ich keinen Millimeter mehr gehen konnte. Mit prall gefülltem Bauch lag ich da auf der Wiese und gönnte mir eine kleine Pause. Naja, ich versuchte es zumindest. Es gelang nicht so recht, denn kaum waren alle Menschen satt geworden und die letzten Krumen eingesammelt, forderte Jesus seine Jünger zum Aufbruch auf.
„Fahrt ihr schon vor. Steigt in das Boot, mit dem wir hergekommen sind und begebt euch auf die andere Seite des Sees.“
Die Jünger wunderten sich. Sie allein? Kam Jesus denn dieses Mal nicht mit?
„Was machst du, Jesus?“,fragte einer. „Kommst du denn gar nicht mit uns?“
Jesus schüttelte den Kopf und antwortete:
„Ich verabschiede noch die Menschen hier und komme dann anschließend zu euch nach.“
Die Jünger sahen sich gegenseitig an und hoben dann zustimmend die Schultern. Na gut, also wieder auf die Socken oder in meinem Fall auf die Stacksebeine. Ich rappelte mich langsam auf. Mein Güte, wie sollte ich es nur schaffen, mit meiner vollgefüllten Kugel von Bauch auf eine Schulter zu krabbeln? Leise stöhnte ich auf und stieß einmal kräftig auf. Whohow, das tat gut. Zum Platzen gefüllt war meine Körpermitte zwar immer noch, aber irgendwie schaffte ich es trotzdem, an einem Gewand hinauf zu klettern. Oben angekommen, plumpste ich förmlich auf die Schulter. Ich glaube, es war die von Jakobus. Sicher bin ich mir aber nicht mehr so ganz.
Ruhigen Schrittes machten sich die Jünger dann auf den Weg zum Seeufer, an dem unser Gefährt schon auf uns wartete. Die Sonne senkte sich nach und nach immer mehr. Die letzten Sonnenstrahlen erhellten den Horizont in einem goldenen Streifen und färbten die Wolken in einem wunderschönen Rosa. Herrlich anzusehen war dieser Sonnenunergang alle mal. Zufrieden seufzte ich, als wir endlich alle im Boot saßen und langsam über das Wasser glitten. Ein Blick an das Ufer, das wir immer mehr hinter uns ließen, verriet mir, dass Jesus auf dem Weg hinauf auf den Berg war. Und ich dachte, Jesus wollte nachkommen. Vermutlich wollte er noch ein wenig Ruhe finden, um mit Gott reden zu können. Das sollte er auch tun dürfen.
Ich wandte meinen Blick wieder nach vorn. Die Dunkelheit zog nun immer mehr über den See herein. Die Sonne ging unter und das letzte bisschen Tageslicht verabschiedete sich unterhalb der Wasseroberfläche. Kaum war das geschehen, zog ein Wind auf, der unser kleines Schiffchen schneller werden ließ. Aber das war nicht die einzige Nebenwirkung. Was passiert noch einmal, wenn Wind auf Wasser trifft? Richtig, es entstehen Wellen. So auch in unserem Fall. Ich schloss verzagt meine Augen. Musste das schon wieder sein? Ich konnte doch keine solchen Wellen leiden. Wasser war so etwas wie ein Feind für mich. Ein großer Tropfen davon bedeutete mein Ende. Schwimmen konnte ich nicht, also war ich dem Wasser hilflos ausgeliefert.
Ängstlich kroch ich in die Manteltaschen des Jüngers und versteckte mich. Doch musste ich mich gut festhalten, denn der Wind zerrte auch an der Kleidung meiner Mitreisenden. Ich spürte, wie die Übelkeit in mir aufstieg. So eine Schaukelei schlug mir auf den zu sehr gefüllten Bauch. Hoffentlich ging das gut. Der Wind meinte es jedenfalls nicht gut mit uns. Er schüttelte und zerrte mit aller Kraft an dem hölzernen Wasserfahrzeug und trieb uns die Wellen hoch und runter. Inzwischen war es auch schon so dunkel, dass ich kaum die Lichter am anderen Ufer erkennen konnte. Doch was war das? Während unser Boot große Not litt, erschien plötzlich an unserer Seite eine helle Gestalt. War das etwa…? Nein, das konnte doch nicht sein...Ich schlug mir die Hand vor den Mund, um nicht laut loszuschreien. Das übernahmen die Jünger für mich, die es derweil auch schon gesehen hatten. Sie zeigten auf das Wesen, dass dort über dem Wasser schwebte und schrien so laut sie konnten:
„Seht nur. Dort hinten auf dem Wasser...ein Gespenst..rette sich wer kann..“
Oh ja, das sah ich auch so. Aber ich kniff meine Augen zusammen und versuchte, mehr zu erkennen. Irgendwie kam mir die Person dort so bekannt vor. Das war doch…
„Fürchtet euch nicht, habt keine Angst. Ich bin es.“, dröhnte da auch schon die Stimme gegen den tobenden Wind.
Mir war, als würde ein schwerer Stein vom Herzen fallen. Das war Jesus. Jetzt würde alles gut werden. Jesus war bei uns. Kein Grund zur Sorge mehr. Aber was machte denn Petrus da? War er denn verrückt, so dicht an den Bootsrand zu gehen? Er kniff die Augen zusammen, um besser erkennen zu können. Und dann rief er:
„Jesus, wenn du es bist, dann befiehl mir, zu dir auf das Wasser zu kommen.“
Ja, war er denn lebensmüde? Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Aus dem Boot zu klettern würde seinen Tod bedeuten. Niemals hätte er die Kraft, gegen diese Wellen anzuschwimmen. Da vernahm ich Jesu Antwort:
„Komm.“
Was? Hey, Jesus, das kannst du doch nicht zulassen. Halte ihn auf. Er darf nicht aus dem Boot klettern. Er...ZU spät. Petrus schwang seine Beine soeben über den Bootsrand. Ich konnte gar nicht hinsehen. Bestimmt schrie er gleich nach Jesus. Aber nein. Du glaubst mir sicher nicht, aber ich sah es mit meinen eigenen Augen. Petrus ging auf dem Wasser. Ja, wirklich. Seine Schritte glitten über das tosende Wasser. Ich rieb mir ungläubig die Augen und blinzelte mehrmals. Mein Blick täuschte mich nicht. Petrus sah auf Jesus und ging auf dem Wasser. Mein Mund stand offen vor Staunen. Ich schluckte und schloss ihn dann schnelle wieder. Nicht das ich noch versehentlich mit der nächsten Welle einen Schwall Seewasser zu trinken bekam.
Doch in dem Moment erschrak ich. Was war das? Petrus schaute hinab in das dunkle, bedrohlich schäumende Wasser hinab. Prompt fing er an zu sinken. Seine Beine waren schon halb vom Wasser verschlungen, als er panisch schrie:
„Herr, rette mich.“
Mir blieb das Herz stehen. Jesus musste eingreifen. Er konnte nicht zulassen, dass er unterging. Kaum hatte Petrus den Hilferuf ausgesprochen, streckte Jesus seine Hand aus und ergriff die wild um sich schlagende Hand des Jüngers. Ich konnte hören, wie Jesus ihm sagte:
„Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“
Gemeinsam stiegen sie klitschnass in das Boot, das immer noch hin und her geworfen wurde. An der Stelle, wo sie zum Sitzen kamen, hinterließen sie eine Pfütze, die sich durch immer weitere Tropfen vergrößerte. Erschöpft von der Anspannung ließ ich mich in die Tasche sinken. Oh man, das war ja gerade noch einmal gut gegangen. Und ob du es glaubst, sobald die beiden im Boot waren, verstummte der Wind und die Wellen legten sich. Und die Jünger? Die waren so ergriffen und so erstaunt, dass sie sich zu Jesu Füßen warf und ihn anbeteten. Recht taten sie daran. Etwas besseres viel mir auch nicht ein, als dem die Ehre zu erweisen, der Herrscher der Welt und Sohn Gottes war.