Geschichte Woche 1
Nach Lukas 2,21-35
Na, hast du die Geschichten schon vermisst? Ich schon. Es hat mir gefehlt, dir alles erzählen zu können, was ich so weiß und erlebt habe. Es ist in der Zwischenzeit auch ziemlich viel passiert. Jesus ist geboren und musste fliehen, um nicht getötet zu werden. Erinnerst du dich? Aber, da gibt es noch zwei Begegnungen, die passiert sind, als Jesus gerade einmal 8 Tage alt war. Und davon möchte ich auch noch berichten.
In Israel ist es üblich, dass neugeborene Kinder ihren Namen am achten Tag ihres Lebens im Tempel bekommen, während ein besonderes Ritual vollzogen wird. Nun, Jesus war nun schon acht Tage auf der Welt und das bedeutete, dass sich Maria und Josef mit dem neugeborenen Kind auf den Weg zum Tempel machten. Bestimmt erinnerst du dich noch, wie die Stadt hieß, in der Jesus geboren wurde, oder? Genau, es war Bethlehem. Ein kleines Städtchen, das nicht so weit entfernt von Jerusalem war. Vielleicht erinnerst du dich, in Jerusalem war der Palast des Königs Herodes und auch der Tempel Gottes befand sich dort. Als ich dorthin gereist bin, wegen der weisen Männer und des Königs, brauchte ich nicht sehr lange. Es war also kein besonders weiter Weg für die drei. Früh am Morgen, als die Sonne gerade erst über den Horizont geklettert kam, standen Maria und Josef auf und zogen sich ihre beste Kleidung an, die sie besaßen. Richtig schick sahen sie aus. Ich sah an mir herunter, drehte mich zum Spiegel um und stellte fest, dass man das von mir nicht sagen konnte. Hm, ein wenig Zeit blieb mir noch. Maria und Josef würden erst was essen und Jesus musste ja auch noch fertig gemacht werden.
Also schlüpfte ich schnell aus meinem Schlafanzug in die Dusche, schrubbte und scheuerte den letzten Dreck aus meiner Haut und warf mir anschließend mein bestes Gewand über. Ja, sogar eine Schleife hatte ich an. Dann schnappte ich mir noch meinen Kamm und kämmte meine Haare ordentlich in Position. Ich betrachtete mich zufrieden im Spiegel und setzte mein schönstes Lächeln auf. Ja, so konnte ich mich sehen lassen. Und dann auch noch an diesem besonderen Tag. Stolz reckte ich mein Kinn in die Höhe und stand noch strammer als vorher. Aber was war das? Hörte ich da nicht das Klappern des Eselsgeschirrs? Waren sie etwa schon draußen? Rasch eilte ich nach unten und sah gerade noch, wie sich die Tür schloss. Oh nein, wenn ich jetzt nicht die Füße in die Hand nahm, würde ich nicht mehr mitkommen können. Halt! Stopp! Nehmt mich mit, ich will auch in den Tempel.
Puh, gerade noch rechtzeitig hatte ich es geschafft und lehnte nun an einer Kiste. Mein Sorgfältig gekämmtes Haar war wieder zerzaust und meine Kleidung knitterig. Na, super. Aller Aufwand umsonst. Seufzend strich ich meine Haare zurecht, zupfte an meiner Kleidung, bis sie an ihrem Platz saß und lehnte mich zurück an die Kiste. Nanu, was war denn das? Was raschelte denn darin? Neugierig lugte ich durch die Stäbe der Kiste und entdeckte zwei Turteltauben, die mich mit leicht schräg gelegten Köpfen ansahen.
„Gurr, gurr“, machten sie leise und ich runzelte meine Stirn. Zwei Tauben? Wofür wurden denn die beiden gebraucht? Nachdenklich setzte ich mich zurück und schaute immer wieder in die Kiste hinein. Nein, mir fiel absolut kein Grund ein, weshalb diese Tauben mit uns reisten. Darüber vergaß ich sogar meine Reiseübelkeit, die sich sonst immer breit machte. Beinahe hätte ich sogar die Einfahrt in Jerusalem verpasst. Reges Treiben herrschte hier. Hastig liefen Menschen durch die Straßen, wieder andere boten ihre Waren zum Verkauf mit lauter Stimme an und die nächsten schlenderten angeregt plaudernd an uns vorbei. Es dauerte nicht lange, dann hatten wir auch schon den Tempel erreicht. Ich sage euch, das war vielleicht ein Prachtbau. Und riesig war das ganze auch. Meine Augen wurden größer und größer beim Anblick dieses wunderschönen Gebäudes. Gold, das Holz von Zypressen und Zedern, und dann diese Verzierungen an den Wänden. Blumen, Palmen und Engel waren zu erkennen. Ich staunte mehr und mehr bei diesem Anblick. Kein Wunder, dass sich Maria und Josef so fein gemacht hatten. Der Esel hielt an und Josef machte die Leine an einem Baum fest. Dann wandte er sich um und sagte zu Maria:
„Komm, meine Liebe, gib mir Jesus, dann ist es leichter für dich, herunter zu klettern.“
Maria lächelte Josef an und reichte ihm dann das kleine Bündel, dass auf der ganzen Fahrt ruhig und friedlich in ihren Armen gelegen hatte. Schnell sprang ich in Josefs Manteltasche, um auch mitkommen zu können.
„Wir müssen noch die Tauben mitnehmen,“ erinnerte Maria ihren Mann. Der nickte zustimmend und reichte ihr Jesus zurück.
„Ja, ich nehme die Tauben gleich mit. Nimmst du den Kleinen wieder zurück?“
Maria streckte ihre Arme nach Jesus aus und nickte Josef zu. Dann drehten sie sich dem Eingang des Tempels zu und schritten langsam voran. Bei dem Gedränge hier ging es auch nicht anders. Autsch, da hatte wohl jemand Josef angerempelt und mich voll erwischt. Aua. Ich hielt mir den Kopf und hoffte, nicht noch einen Stoß abzubekommen. Scheinbar war es doch keine gute Idee, Josefs Tasche auszuwählen. Jetzt musste ich durch.
„Darf ich fragen, warum ihr hier seid?“
Eine tiefe, geduldige Stimme erklang direkt vor mir, sodass ich vorsichtig aus der Tasche lugte. Da stand ein älterer Mann in einem weißen Gewand und einem interessanten Hut auf dem Kopf. Sein grauweißer Bart stand ihm ausgezeichnet und ließ ihn noch würdevoller erscheinen.
„Wir sind hier wegen unseres Sohnes. Er ist jetzt acht Tage alt.“, gab Josef dem Mann eine Antwort.
„Ah, so ist das. Nun, dann kommt herbei. Ich sehe, die Bezahlung ist auch dabei.“
„Ja, nehmen Sie sie. Sonst flattern sie noch davon.“
Schmunzelnd reichte Josef die Kiste mit den zwei Tauben dem älteren Herrn und dann ging alles ganz schnell. Gemeinsam gingen sie in den Tempel hinein, wo dann das Ritual vollzogen werden sollte. Und dann geschah das spannende: Als Maria und Josef gerade dabei waren, die Treppen hinauf zu gehen, fiel mir ein wirklich alter Mann auf. Er stützte sich schwer auf seinen Gehstock und als sein altersschwacher Blick auf Jesus fiel, hielt er in seinem Gang inne. Ein Leuchten ging über sein ganzes Gesicht und mit einem Mal setzte er sich in Bewegung. Uiuiui, der gute Mann konnte sich aber schnell bewegen. Richtig frisch wirkte er. Ein aufgeregtes Zittern lag in seiner Stimme, als er fragte:
„Entschuldigen Sie, dass ich störe, aber darf ich einen Moment das Kind halten?“
Ein wenig verdutzt schauen sich Maria und Josef an und der Mann scheint ihr Zögern zu bemerken, denn er beeilt sich zu erklären:
„Wissen Sie, mein Name ist Simeon. Und schon vor langer Zeit habe ich ein Versprechen von Gott selbst bekommen. Ich sollte nicht eher sterben, als das ich den verheißenen Messias gesehen habe. Und heute morgen hat es mich in den Tempel gezogen, weil ich wusste, heute werde ich ihn sehen. Heute ist es so weit.“
Maria staunte über das, was sie gerade gehört hatte und reichte dem Mann schließlich das kleine Baby. Vorsichtig nahm der alte Simeon das Kind entgegen und wiegte es sanft hin und her. In seinen Augen glitzerten Tränen der Freude und der Ehrfurcht.
„So lange, habe ich auf dich gewartet“,sagte er mit zitteriger Stimme, während er auf das kleine Wesen hinab sah. „So lange und nun bist du da. Ja, Herr, nun kann ich in Frieden von dieser Welt geh, so wie du es gesagt hast. Das Heil und den Frieden, den du den Menschen schenken wirst, ich habe ihn nun gesehen. Dein Volk Israel willst du mit ihm verherrlichen und allen Heiden ein Licht der Offenbarung sein.“
Wow, dieser Mann war wirklich ergriffen ob des Wunders, das da in seinen Armen lag. Sogar ich musste schlucken bei so viel Rührung. Und was machte er jetzt? Simeon hob seinen Arm und legte die Hand auf Josefs und Marias Schulter und segnete sie. Dann reichte er Maria das Kind wieder zurück und sagte:
„An diesem Kind wird sich Fall oder Sieg entscheiden. Seinen Worten wird widersprochen werden und auch dir wird es Schmerzen bereiten, deinen Sohn zu sehen. Wie weit die Menschen von Gott entfernt sind, wird an ihm deutlich werden.“
Maria schaute ein wenig verdutzt aus der Wäsche. Was meinte dieser Mann nur mit seinen Worten? Was wollte er ihr damit sagen? Ihr Blick wanderte zu Jesus hinunter und als sie ihren Kopf wieder hob, drehte sich Simeon schon wieder um und begab sich aus dem Tempel hinaus.
Mein Blick wanderte zu Jesus und die Worte von dem alten Simeon gingen mir durch den Kopf. Ich hatte irgendwie nicht verstanden, was er sagen wollte. Wieso sollte Maria Schmerzen haben, wenn sie Jesus sah? Und was hatte Jesus mit dem Fall und Sieg der Menschen zu tun? Hm, darüber musste ich erst einmal nachdenken.