Geschichte Woche 27
Nach Johannes 4, 1-30
Letzte Woche haben wir gemeinsam Nikodemus kennen gelernt, der Jesus bei Nacht aufsuchte. Und heute? Wer könnte wohl heute dran sein? Ich will dich nicht länger auf die Folter spannen, deshalb lege ich mit meinem Bericht sofort los.
Nun, Jesus machte sich eines Tages auf den Weg nach Galiläa. Zur Zeit befand er sich noch in Judäa. Das war vielleicht eine Tortur. Durch die Berge, zu Fuß und dann die Hitze, die am Tage ununterbrochen in der Luft schwirrte. Aber, keiner der Jünger oder Jesus beschwerten sich auch nur einen Augenblick darüber. Stattdessen gingen sie tagein, tagaus unermüdlich voran. Einen Fuß setzten sie vor den anderen und kamen so ihrem Ziel immer näher.
Auf ihrem Weg kamen sie auch durch das Gebiet Samaria. Eigentlich ja keine große Sache, aber doch irgendwie, denn die Juden und die Samariter konnten sich nicht leiden. Sie sprachen nicht miteinander und gingen sich, so gut es eben ging, aus dem Weg. Erst recht würden sie einander nicht um Hilfe bitten.
Nun, an einem dieser Wandertage, es war wirklich drückend heiß, erreichte auch Jesus einen Punkt der Erschöpfung. Wir befanden uns allerdings noch genau in diesem Landstrich, in Samaria. Es blieb uns nichts übrig, wir mussten halten. Auch unsere Bäuche knurrten vor Hunger und der Durst ließ unsere Zungen am Gaumen kleben.
Während sich Jesus an einen Brunnen setzte, der ein wenig Schatten bot, sagten die Jünger zueinander:
„Lasst uns in die Stadt gehen und sehen, ob wir nicht vielleicht etwas zu essen bekommen.“
„Ja, du hast recht“, stimmten die anderen mit nickenden Köpfen zu, „das klingt nach einem guten Plan. Wir müssen uns stärken, sonst sind wir nachher einfach zu erschöpft, um weiterzugehen.“
Gesagt, getan. Jesus blieb am Brunnen sitzen und die Jünger gingen los. Ich versuchte, ebenfalls einen schattigen Platz zu ergattern und ließ mich müde an die kühlen Steinmauern des Brunnens sinken. Wie angenehm es doch war, die rauen Steine zu spüren, die Kälte abgaben und den von der Sonne überhitzen Körper eine wenig herunterkühlten.
Um diese Zeit war miest nicht so viel los, eben weil es viel zu warm war. Jeder suchte sich ein kühleres Plätzchen, ruhte sich aus oder verkroch sich in sein Haus. Ein paar wenige Kaufleute zogen mit ihren Eselskarren an uns vorbei und kämpften sich weiter voran. Doch dann herrschte wieder Ruhe an unserem Plätzchen. Doch plötzlich hörten wir das Knirschen des Sandes. Leise Schritte kamen auf uns zu. Ich öffnete erst mein eines Auge, um zu sehen, ob es was interessantes zu erspähen gab. Dann hob sich auch mein zweites Augenlid, denn was ich sah, konnte ich kaum glauben.
Eine junge Frau trug einen großen Krug auf ihrer Schulter und schritt geradewegs auf den Brunnen zu, an dem Jesus ausruhte. Ja, wer war denn so verrückt, diese Tätigkeit am helllichten Tag in sengender Hitze zu vollbringen? Klar, es war Frauensache, dass Wasser zu holen, aber niemals kam eine Frau allein, sondern immer gemeinsam mit den anderen Frauen und dann auch am Abend oder am frühen Morgen. Was war geschehen, dass diese Frau gezwungen war, mitten am Tag ihr Wasser zu holen?
In diesem Moment erhob Jesus seine Stimme und bat die Frau:
„Bitte, gib mir zu trinken.“
Sichtlich erschrocken zuckte die Frau zusammen und sah den Mann misstrauisch an, der es wagte, mit ihr zu sprechen. Schließlich antwortete sie vorsichtig:
„Du, ein Jude, bittest mich, eine Samariterin, um Wasser? Mich, eine Frau und dazu noch aus Samaria?“
Sie stellte ihren Krug ab und sah Jesus immer noch zweifelnd an. Jesus hielt ihren Blick gefangen und antwortete ihr dann ruhig:
„Wenn du wüsstest, wer ich bin, dann würdest du mich nach Wasser fragen.“
Eine gewagte Aussage, dachte ich. Aber Jesus hatte ja recht. Er war ja schließlich nicht irgendwer, sondern er war der Messias, der Retter und Erlöser. Doch die Frau lächelte nun leicht spöttisch und sagte:
„Wie soll denn das gehen? Du hast ja noch nicht einmal einen Eimer, mit dem du Wasser schöpfen könntest. Und der Brunnen ist sehr tief. Wie willst du mir da zu trinken geben? Unser Vorfahre Jakob hat diesen Brunnen gegraben. Er hat daraus getrunken, ebenso seine Söhne und sein Vieh. Bist du etwa größer als er?“
Ich rollte mit den Augen und schüttelte den Kopf. Das die Menschen immer noch nicht wussten, wen sie mit Jesus vor sich stehen hatten, konnte ich nicht so ganz nachvollziehen. Gut, vielleicht hatte diese Frau bisher noch nichts von Jesus und seinen Wundertaten gehört. Das konnte ich nun nicht beurteilen. Jesus jedenfalls blieb weiterhin ruhig und wurde nicht müde zu erklären, wer er war. Er entgegnete ihrer offenen Frage:
„Jeder, der von diesem Wasser, das sich in diesem Brunnen befindet, trinkt, der wird wieder Durst bekommen. Wer aber von dem Wasser trinkt, dass ich ihm gebe, den wird niemals wieder dürsten. Ja, das Wasser wird ihn sogar bis in das ewige Leben hin tragen.“
So, nun müsste die Frau doch aber verstanden haben, dass es hier nicht um echtes Wasser trinken ging, sondern über die Veränderung ihres Lebens. Dachte ich jedenfalls. Tja, ich wurde enttäuscht, denn die Frau bat nun mit großen Augen:
„Bitte, gib mir doch dieses Wasser. Dann habe ich nie wieder Durst und muss auch nie wieder hier her kommen, um Wasser aus dem Brunnen zu schöpfen und es nach Hause zu schleppen.“
Nun wurde Jesus deutlicher um ihr verständlich zu machen, was er meinte. Er sagte:
„Geh und rufe deinen Mann und dann kommt wieder hier her.“
Das zuvor noch hoffnungsvolle Gesicht der Frau bewölkte sich nun und Traurigkeit überschattete ihre Augen. Mit gesenktem Kopf sprach sie:
„Ich habe keinen Mann.“
Jesus nickte.
„Du hast recht, du hast keinen Mann. Du hattest schon fünf Männer und der, mit dem du nun unter einem Dach lebst, ist nicht dein Mann.“
Jetzt verstand auch ich einiges. Deshalb war die Frau mittags hier an diesem Brunnen und dazu noch allein. Die Frau wurde von ihren Mitbewohnerinnen gemieden, weil sie unverheiratet mit Männern zusammen war, was eindeutig eine Sünde war. Schuldbewusst hob die Frau den Kopf und sah Jesus an. Dann antwortete sie mit einer Ehrfurcht in ihrer Stimme:
„Herr, ich sehe, du musst ein Prophet sein. Nur Gott kann all das über mich wissen. Und trotzdem, ihr Juden sagt, der rechte Platz zum Anbeten sei in Jerusalem, aber wir haben hier unseren Platz, an dem wir zu Gott reden.“
Jesus runzelte die Stirn, während er antwortete:
„Frau, ich sage dir, es wird ein Tag kommen, an dem es egal ist, wo der richtige Ort für die Anbetung sein wird. Wir wissen, wen wir anbeten, denn wir haben alle Schriften. Ihr hingegen, wisst es nicht. Ihr habt nur die Gesetze. Ihr kennt Gott nicht.“
Doch das war noch nicht alles, was Jesus zu sagen hatte. Er fuhr fort:
„Wer Gott wirklich anbeten will, der muss das in Geist und Wahrheit tun, denn Gott selbst ist unsichtbar und doch da. Er offenbart sich uns in den Schriften.“
Jesus machte der Frau deutlich, dass ohne Glauben keine wahre, ehrliche Anbetung Gottes stattfinden konnte. Die Frau überlegte mit gerunzelter Stirn und erwiderte schließlich:
„Ich weiß, dass der Messias kommen wird. Er wird uns dann genau diese Dinge erklären und uns mitteilen, wer Gott ist.“
Jesus nickte und zeigte auf sich:
„Ich bin es, mit dem du gerade sprichst.“
Nun bekam die Frau ganz große Augen. Ich konnte sehen, wie in ihrem Kopf das gesamte Gespräch noch einmal Revue passierte und dann die Erkenntnis in ihr Herz einschlug. Sie erkannte Jesus als den verheißenen Messias. Ein Strahlen erschien auf ihrem Gesicht, dass sich immer mehr ausbreitete und mit einem Mal drehte sie sich um und lief in die Stadt hinein. Der Krug und das Wasser, dass sie eigentlich hatte holen wollen, waren angesichts dieser wundervollen Neuigkeit vollkommen vergessen. Ich konnte sie noch hören, wie sie versuchte, alle zusammen zu rufen und ihnen mitzuteilen, dass sie den Messias getroffen hatte.
„So glaubt mir, er ist da. Der Messias, er ist da. Er hat mir all meine Sünden genannt, ohne mich zu kennen. Kommt mit und seht selbst. Er muss es sein.“